Hallo liebe Fotofreundinnen und Fotofreunde,
seit dem Sommer 2014 bieten wir in der Dortmunder Fotoschule auch Kurse an, die ausschließlich für Frauen zugänglich sind. Die Kollegen und ich werden allerdings oft gefragt warum das so ist, und ob sich diese Kurse inhaltlich wirklich von den „normalen“ unterscheiden.
Nun, die Antwort ist:
Ja und Nein 😉
Aufgrund der vielen Fragen nutze ich jetzt einmal die Gelegenheit um das Wie und Warum unserer Frauenkurse zu erläutern.
Inhalte
Erfahrung
Vor 12 Jahren habe ich begonnen, anderen Hobbyfotografen mein Wissen und meine Erfahrung in Sachen Fotografie, Bildgestaltung und Bildbearbeitung zu vermitteln. Am Anfang war die Fotografie noch analog und fast ausschließlich ein Hobby für technik-affine Männer. Die FotografINNEN in einer Stadt konnte man damals oft an einer Hand abzählen.
Mit dem Aufkommen der Digitalfotografie wuchs die Anzahl der fotografierenden Frauen sprunghaft an. Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist sicherlich dass die Fotografie in dieser Zeit ohnehin massentauglich wurde. Es wurde einfacher, sofort sichtbare Ergebnisse zu erzielen. Und somit fühlten sich auch viele Menschen aller Geschlechter angesprochen, die sich nicht mit dem lästigen Entwicklungsprozess beschäftigen wollten. „Trial and Error“ wurde möglich, die Fotografie durch Ausprobieren mit sofortiger Korrekturmöglichkeit. Oder wie wir in Dortmund sagen: Versuch macht kluch 😉
Es wurde mir aber schnell bewusst, dass sich bei vielen Frauen eine besondere Herangehensweise zeigte.
Frauen fotografieren anders - oder etwa nicht? Share on XUnterschiede
Ein Großteil der Männer war weiterhin eher von der Technik fasziniert und suchte damit auch den eher rationalen Weg zum Ergebnis: Wenn man(n) mit dem Wissen um Blende und Belichtungszeit, Schärfe und Unschärfe, Weißabgleich und Belichtungskorrektur diesen oder jenen Effekt erzielen kann, dann weiß man(n) was zu tun ist und kann dann mal anfangen Fotos zu machen. Und je mehr man(n) probiert desto besser werden die Ergebnisse.
Nun ja, so ist das wohl in den Köpfen vieler Fotografen. Ich spreche hier von einer technikorientierten Fotografie.
Die meisten Frauen aber sehen zuerst das gewünschte Ergebnis, sie haben klare Vorstellungen davon wie ihr Bild aussehen soll und wie nicht. Sie wollen sehr speziell wissen, was sie genau dafür tun müssen, um dieses eine, besondere Ergebnis zu erzielen. Die Gestaltung, der Bildaufbau, die Stimmung und nicht zuletzt die Emotionen sind dabei der Maßstab.
Diese Vorgehensweise nenne ich motivorientierte Fotografie.
Auch wenn die Grenzen natürlich verwischen und es wie überall Personen gibt, die nicht in einfache Schubladen passen, so zeigte sich mir ganz klar dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern. Es handelt sich also nicht um Klischees oder Vorurteile, es sind reine Erfahrungswerte, die mich dazu gebracht haben diesen Kurs ins Leben zu rufen. Es war halt selbst für einen Ignoranten wie mich nicht zu übersehen, wie sehr sich hier zwei große Unterschiede zeigen.
Um es mal ganz grob beispielhaft zu benennen: „Männerthemen“ finden wir hautpsächlich im Bereich Sport, Konzert, Reportage, extreme Langzeitbelichtung, HDR, Street und Akt. Ob nun zufällig oder nicht, für jeden dieser Bereiche braucht es besondere Objektive mit speziellen technischen Eigenschaften und Qualitäten 😉
Die „Frauenthemen“ sind sehr oft Familie, Kinder, Newborn, (Haus-)Tiere, Lightpainting, Fashion, Editorial (z.B. Food, Fitness, Lifestyle) und, last but not least, der eigene Blog. Die Vorgehensweise ist hier oft kreativ, manchmal ungeplant, du willst auf alles vorbereitet sein und schnell reagieren können. Dafür benötigst du weniger Technik, die gleichzeitig aber mehr Flexibilität bieten muss.
Tatsächlich gehe ich persönlich sehr gern mit Fotografinnen auf Tour, sowohl beruflich wie privat. In meinen favorisierten Genres, Street und Architektur, sind es oft die Frauen, von denen ich mir das meiste abschauen kann. Bei den Usertreffen der fotocommunity, die ich früher sehr oft besucht habe, ist der Frauenanteil meist sehr hoch. Meine eigene Sicht auf Motive hat sich dadurch enorm erweitert und letztlich auch geändert. Zum Positiven, wie ich finde 😉 Im Job lasse ich mir sehr gerne von Frauen begleiten, weil deren Einfluss das Ergebnis ungemein bereichert. Meine Auszubildenden in den letzten Jahren waren fast alle weiblich. Deren Bewerbungen hoben sich einfach deutlich von denen der männlichen Mitbewerber ab. Besonders im Bereich der Kreativität und eigenen Bildsprache waren diese einfach „weiter“, umfassender ausgeprägt.
Der Frauenkurs
Unsere Frauenkurse zollen diesen Unterschieden Tribut. Der didaktische Aufbau ist dabei anders gepant: Wir arbeiten viel mehr motivisch, es werden von den Teilnehmerinnen deutlich mehr Wünsche für dieses oder jenes Ergebnis genannt. Die Gruppen sind meistens etwas kleiner, der Workshop dauert dafür manchmal etwas länger. Aufgrund der oft klaren, individuellen Themen und Fragen ist einfach eine etwas intensivere Betreuung der Einzelnen zu leisten. Das soll bitte nicht so verstanden werden als wären hier mehr Erklärungen nötig. Die Erwartungen sind einfach persönlicher und deutlich konkreter.
Dazu kommen dann auch noch diejenigen Teilnehmerinnen, denen es aus persönlichen oder religiösen Gründen besser gefällt, in einer reinen Frauengruppe zu lernen. Auch das respektieren wir gern. Allerdings sei an dieser Stelle explizit erwähnt dass wir derzeit für diesen Kurs oft einen männlichen Kursleiter einsetzen, nämlich meine Person. Aber daran arbeiten wir auch.
Gemeinsamkeiten
Allen Gruppen gemeinsam liegen Portraits (aber auch mit unterschiedlichen Ansätzen), Reisefotografie, Architektur, Lightpainting, Landschaft, Natur und Makro. Das ist natürlich alles sehr grob unterteilt und wie gesagt, die Schnittmengen sind sehr groß. Aber selbst wenn man das gleiche fotografiert, kommt noch lange nicht dasselbe dabei raus 😉
Doch das Interesse ist hier gleich groß, besonders wenn es heißt, gemeinsam auf Tour zu gehen.
In den Fortgeschrittenen-Kursen (Grundkurs 2) und in den Spezial-Lehrgängen zu bestimmten Themen, Techniken oder Motiven sind die Gruppen dann wieder bunt gemischt. Kreatives Blitzen, Eventfotografie, Bloggen, Streetfotografie, Industriekultur, Lost Place, Lightpainting und vor allem unsere Photowalks ziehen dann wieder Teilnehmer jeder Art an. Und das ist auch gut so 🙂
In vielen Fotovereinen und -verbänden, denen ich angehöre, ist zu meiner Freude der Frauenanteil auch mittlerweile deutlich gestiegen. Hier spielen dann alle auch wieder im gleichen Team. Wobei die Frauen tatsächlich in letzter Zeit in den diversen Wettbewerben oft durchaus erfolgreicher sind 😉
Fazit
Die Lerninhalte in den jeweiligen Workshops sind unterm Strich identisch. Die Schwerpunkte gehen etwas auseinander und auch die didaktische Herangehensweise ist eine andere, aber das vermittelte Wissen bleibt in den beiden Varianten letztlich gleich.
Die technischen Punkte Brennweite, Blende, Belichtungszeit, ISO, Weißabgleich, Belichtungskorrektur, Belichtungsmessung, Autofokus und Schärfe werden auf die für uns typische Art genauso verständlich erläutert wie die Bildgestaltung durch Blickführung, Bildaufbau, Emotionen, Dynamiken, Kräften und Spannung. Jede/r kann sich aus diesen Kursen genau das mitnehmen, was er oder sie braucht.
Zukunft
Wir werden die Frauenkurse in der gewohnten Form beibehalten, im Schnitt finden Sie alle 6-8 Wochen einen in unserem Terminkalender. Dabei versuchen wir, alle Tage des Wochenendes einigermaßen gleichmäßig zu bedienen. So hast du die Möglichkeit, in der Woche oder am Wochenende an einem solchen Kurs teilzunehmen. Darüber hinaus versuchen wir eine Fotogruppe aus den Teilnehmerinnen aufzubauen, die sich gemeinsam organisieren und miteinander fotografieren wollen. Auch hier dürfen sich die Männer nicht zurückgesetzt fühlen. Es gibt schließlich zahllose männlich dominierte Gruppen und Stammtische. Da sollte es dann zum Ausgleich auch reine Frauengruppen geben.
Wir werden auch bald wieder eine Dozentin für die Frauenkurse verpflichten, so dass ich dann auch das letzte bisschen Mann aus den Kursen entfernen kann 😉
Natürlich haben sich auch Andere Gedanken dazu gemacht. Katja Kemnitz, die Herausgeberin von Kwerfeldein, hat einen sehr lesenswerten Artikel dazu verfasst:
Zum Schluss sei aber noch angemerkt dass unsere auch gemischten Kurse oft mit einem hohen Frauenanteil aufwarten können. Das freut mich persönlich sehr, zeigt es doch dass wir mit unserem kompletten Programm auf einem guten Weg sind allen TeilnehmerInnen gleich gerecht zu werden.
Hier findest Du eine ausführliche Beschreibung des Kursinhaltes: (click)
Und hier geht es direkt zur Terminübersicht mit der Möglichkeit zur Buchung: (click)
Wie findest du meine Gedanken zur weiblichen Fotografie? Kannst du sie nachvollziehen oder bist du strikt dagegen? Hast du noch Fragen oder Anregungen zu diesem Thema?
Dann lass es mich doch bitte in einem Kommentar zu diesem Beitrag wissen, ich freue mich sehr auf jegliches Feedback!
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